Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Gefahr (31.03.2022)

Die Historikerin Andrea Komlosy arbeitet seit 30 Jahren am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Im Wintersemester 2021/22 veranstaltete sie die Ringvorlesung Corona – eine transdisziplinäre Herausforderung. Ihre Begründung: „Der Umgang mit der Pandemie ist ein umstrittenes Thema. Umso mehr sollten verschiedene Expertisen dazu miteinander ins Gespräch kommen.“ Einige Kolleg*innen und Studierendenvertreter*innen sahen das anders, kritisierten einige der eingeladenen Vortragenden, und die ÖHs der Boku und der Uni Wien und andere forderten in einem offenen Brief gar die Absetzung der LV! Da die Universitätsleitung zur Lehrfreiheit stand, konnte die Veranstaltung abgehalten werden – 1200 Anmeldungen bezeugten höchstes Interesse. In einem Gastkommentar in der „Presse“ kritisiert die Leiterin: „Die Skandalisierung der Vortragenden schnitt jede Auseinandersetzung mit Argumenten ab. Stattdessen operierten die Wahrheitshüter mit Kontaktschuldvorwürfen und unterstellten Referenten sozialdarwinistisches oder rechtes Gedankengut (…) Beunruhigend erscheint, dass sich Akademiker und studentische Vertretungen, denen die Rolle als gesellschaftskritisches Korrektiv zukommen müsste, zum scharfen Einpeitscher unhinterfragbarer angeblicher Wahrheiten machen.“ (Die Presse, 10.3.2022)